Skriptauszüge

"Somatic Experiencing - Eine praktische Anleitung für Therapeuten"

ButNum.gif (718 Byte) Ein Beispiel: "Eigentlich ist ja gar nichts passiert!"
ButNum.gif (718 Byte) Was wirkt heilend?

 

Beispiel: "Eigentlich ist ja gar nichts passiert!"
Erste Hilfe nach dem Trauma
Nach einem traumatischen Ereignis, wie einem Unfall, wird der Betroffene in einem Schockzustand, einer Art von Trance sein, die sich dadurch auszeichnet, daß der Schmerz nicht wirklich wahrgenommen wird. Eine Art von Betäubung scheint vorzuherrschen und der Vorfall wird in seiner Heftigkeit geleugnet. "Es war ja nicht so schlimm. Eigentlich ist ja nichts geschehen." Die Verdrängung beginnt!
Unser Leben scheint in der alten Art und Weise weitergehen zu können. Unser Organismus erlaubt es uns und die Gesellschaft fordert es - wir haben die Fähigkeit, uns schnell wieder in den normalen Alltag einzufinden. Diese Art von Verdrängung ist zugleich hilfreich als auch tückisch, denn tatsächlich haben wir uns verändert und je nach der Schwere des Erlebnisses nimmt unser Leben ganz neue oft unheilvolle Bahnen - und wir scheinen es nicht einmal zu bemerken!
Nach einem solchen Erlebnis ist ein sofortiges Eingehen auf die Körpervorgänge besonders wichtig. Die Gefahr ist vorüber und der Körper beginnt sich selber zu regulieren, Heilungsprozesse können in Gang gesetzt werden, die man leicht unterbindet, falls man im Alltagsgeschäft fortfährt.
Beispiel mit Klaus, der gerade einen kleinen Autounfall hatte:
Klaus: Und ich habe mit Überraschung festgestellt, daß am Auto gar nichts passiert ist.

Therapeut: O.K., vergessen wir einmal, was da geschehen ist. Mich interessiert, was innerlich in dir vorgegangen ist.

Nichts, einfach gar nichts. Ich habe nichts gefühlt.

Gut, ich möchte ein wenig genauer darauf eingehen, und möchte, daß du folgenden Satz sagst und darauf achtest, was er in dir auslöst: "Das ist gar nicht geschehen, es ist nicht wirklich passiert."

Pause
Kommentar: Indem der Therapeut das Leugnen akzeptiert und darauf eingeht, kann der nächste Schritt folgen: die Schockreaktion zeigt sich.
Ich spüre Verwirrung.

Und wie erlebst du die Verwirrung?

Wie Energie auf beiden Seiten der Hände und ein Zittern.

Kannst du dir erlauben, das Zittern zu spüren und dabei zu bleiben? Spüre es einfach als eine körperliche Empfindung. Und wisse dabei, daß dies einen Teil der Energie entlädt, die in diesem Moment angestaut wurde.

Pause

Ich spüre das ganz genau, und da ist noch etwas, das nicht so gut definiert ist.

Pause

Es ist, als ob ich nicht ich selbst wäre.

Kommentar: Hier findet in unserem Sinne eine Dissoziation statt.
Aha, du fühlst dich, als ob du nicht du selbst bist. Und wenn du dich fühlst, als seist du nicht du selbst, jetzt in diesem Moment, wie genau fühlt sich das an?

Es fühlt sich an, als würde ich nicht hier auf dem Boden sitzen, sondern schweben.

Genau. Spür dieses Schweben. Und wenn du ein Gefühl dafür in deinem Körper bekommst, was für eine Qualität hat das Schweben selber, nach rechts oder links oder nach oben, wie ist das?

Ein klein wenig nach oben.

O.K., also du hast den Eindruck, daß ein Teil von dir ein wenig über dir schwebt. Wie weit über deinem Kopf, würdest du sagen, befindet sich dieser Teil?

Pause

Ein paar Zentimeter.

Ah, ja, ein paar Zentimeter. Macht das nicht neugierig, einen Teil zu beobachten, der ein paar Zentimeter oberhalb von dir schwebt? Ist dieser Teil ruhend über dir, oder bewegt er sich hoch oder runter?

Er ist still ruhend.

O.K., dann möchte ich, daß du diese Ruhe erlebst, diesen Teil, der da still ruht, ein paar Zentimeter über dir, daß du beobachtest und erlebst, wie das dort ist, was du von dort siehst, was du von dort erlebst.

Pause

Kommentar: Der Therapeut führt in ein Assoziieren mit dem dissoziierten Teil von Klaus hinein.
Das, was ich am meisten erlebe und was es so anders zu mir sonst macht, ist, daß ich den Rest von meinem Körper kaum spüre. Es fühlt sich an, als würde ich schweben.

Also es fühlt sich an, als würdest du schweben und als spürst du den Rest deines Körpers nicht deutlich, außer dem Zittern in deinen Händen.

Pause

Kommentar: In seiner Wortwahl wiederholt der Therapeut zwar nur Aussagen von Klaus, aber mit Betonung auf das, was er doch spürt.
Und da ist ein Tunnelblick

Pause

Ja, und du bemerkst einen Tunnelblick.

Ja, das habe ich schon vorher bemerkt. Beim Hereinkommen in den Raum, als ich mit dir gesprochen habe, und dann beim Weggehen habe ich plötzlich meine Schlüssel so laut gehört.

So, du hast also eine ganze Reihe von Dingen bemerkt, und was ich möchte, ist, daß Du damit geduldig bist - mit deiner Erfahrung. Daß du dir erlaubst, daß es so ist, und daß du diese Erfahrungen dich erleben läßt und du die Erfahrungen erlebst. Und einfach beobachtest, was geschieht. Du hast das Gefühl in deinen Händen, die zittern, den Teil, der sich nicht wie du anfühlt, der Teil, der über deinem Kopf schwebt. Bleibe einfach einmal bei all dem und bemerke, wie das ist und wie es sich verändert. Und achte darauf, was als nächstes geschieht.

Kommentar: Der Therapeut läßt sich nicht ablenken und fasst die Erfahrungen noch einmal zusammen.
Pause

Das nächste, was ich bemerke, ist, daß das Schwitzen weggeht. Es fühlt sich noch an wie ein Film von Schweiß.

Kommentar: Hier und in den kommenden kinästhetischen Veränderungen ist viel Zeit und Geduld zu Verfügung zu stellen.
Ich verstehe. Und bemerkst du sonst noch etwas?

Ich beginne meine Beine zu spüren, wie sie ruhen - Pause - und meine Arme - Pause - und ich spüre das Zittern nicht mehr so stark.

Du spürst deine Beine körperlich, die Position, in der sie sich befinden, du spürst deine Arme klarer und da ist auch weniger Zittern. Gut. Dann lass uns weitermachen, das zu erforschen. Bleibe interessiert.

Da ist etwas, wie ein Radar, so ein Gefühl, wie ein Warten auf ein anderes Auto, das da kommen könnte.

Ja, das ist ein typisches Merkmal, nach einem Trauma, es ist eine Überwachsamkeit. Ein Zustand im Erwarten erneuter Gefahr. Und möchte ich, daß du etwas tust und das ist nicht leicht. Ich möchte, daß du genau und präzise beschreibst, wie sich das anfühlt, dieses Gefühl zu warten, daß da etwas geschehen wird.

Kommentar: Die Überwachsamkeit erscheint.
Ja, das macht eigentlich keinen Sinn jetzt darauf zu warten, daß Autos kommen.

Warte einfach darauf. Lass dir Zeit.

Pause

Kommentar: Ermöglicht ein Entkoppeln der Schreckreaktion von dem erlebten Unfall durch Ausdehnung in der Zeit
Es ist wie eine Aufgeregtheit.

Spüre das körperlich.

Pause

Spüre diese Aufregung körperlich, in deiner Wirbelsäule, den Nacken, wie dein Körper sich bewegen möchte.

Es ist, als ob mein Nacken länger werden möchte.

Kommentar: Der Orienting Response baut sich wieder auf.
Und ist das ein angenehmes oder eine unangenehmes Gefühl? Genau mach weiter so.

Klaus bewegt sich mit kleinen Bewegungen im Körper. Pause

Nimm dir Zeit.

Pause

Das Gefühl des Längerwerdens im Nacken ist sehr angenehm.

Nun kommst du aus der Schreckhaltung heraus, siehst du, und schaust dich auch um. Aber nicht mehr aus Überwachsamkeit, es ist mehr wie ein Orientieren.

Pause

Genau. Folge den Bewegungen.

Pause

Nun fühle ich ein Prickeln in meinen Händen, und Wärme.

Gut, mit dem Reorientieren geht auch ein parasympatischer Shift einher, ein Entladen von Energie. Wir bewegen uns also in Richtung Lösung.

Pause

Ich fühle nun eine bessere Verbindung mit meinen Körper.

Kommentar: Das Ende eines Zyklus deutet sich an.
Aha, wie ist das?

Ich fühle nicht so sehr das Zittern, ich fühle mich selber mehr.

Beschreibe das einmal genauer, das ist sehr wichtig.

Ich bemerke, daß die Zeit langsamer geht - Pause - und es ist weiter.

Es schaut so aus, daß wir aus der Aufregung heraus kommen und damit eine Entladung und der Abschluß eines Zyklus einhergeht.

Damit wurde eine erste Phase der Aufarbeitung des Unfalls beendet.

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Was wirkt heilend?
Oft schon alleine Zeuge sein! Der Klient kann nun seine Erlebnisse verbalisieren und diese Umsetzung des Erlebten in die sprachliche Repräsentation und das damit verbundene Neuordnen wirkt heilend. Eine übliche Erfahrung besteht darin, die Erlebnisse und Empfindungen nicht mitteilen zu können. Sie sind so ungewöhnlich und schwer beschreibbar, daß sich der Klient von anderen Menschen und oft auch von den nächsten Freunden isoliert und allein gelassen fühlt.
Liegen die Wurzeln der traumatischen Erlebnisse in sehr frühen Geschehnissen (pränatal, bei der Geburt oder bald danach), dann wird es natürlicherweise schwer sein, die Erfahrungen zu verbalisieren ("da sind keine Worte"). Schweres Trauma behindert die sprachliche Ausdruckskraft auch des Erwachsenen. Hier sind kreative Wege gefragt, die Erfahrungen auszudrücken. Über Metaphern, über Bewegung und besonders über das Beschreiben der Körperempfindungen.
Traumatische Ereignisse sind so heftig, daß sie gewöhnlich als Fragmente im Erleben und Erinnern gespeichert bleiben. Zusammenhänge bilden und neu schaffen, das Erleben in einen kontinuierlichen Fluß bringen, wirkt heilend.
Gehen wir davon aus, daß besonders bei traumatischen Extremsituationen das Verhalten von nichtbewußten Teilen in uns hervorgebracht werden - wie es auch in alltäglichen Begebenheiten üblicherweise geschieht -, dann bleibt dem bewußten Ich die wichtige Aufgabe, Erklärungen für das Geschehen zu finden. Diese nachträglichen Erklärungen werden, wie psychologische Versuche zeigen, spontan "erfunden" und sind eine primäre Funktion des Bewußtseins. In der Therapie können wir diesen Prozeß sinnvoll unterstützen und dazu beitragen, ein zusammenhängendes und sinnmachendes Erklärungsgefüge von den Vorgängen, von uns und der Welt zu entwerfen. Das Verständnis für Zusammenhänge, Geordnetheit und Überschaubarkeit bildet eines des wesentlichen Fundamente, die dazu beitragen Krisen und Belastungen gut zu verarbeiten. So kann eine wichtige Grundlage für psychische und körperliche Gesundheit geschaffen werden.
Im subjektiven NeuErleben halten und es bestätigen! Häufig geschieht als natürliche Reaktion des Menschen bei heftigen Erlebnissen eine Dissoziation und diese wird auch im NeuErleben als "den Körper nicht mehr spüren", "sich außerhalb des Körpers empfinden" oder ähnlich beschrieben. Bestätige auch solche Erlebnisse: "Ja, genau ...". Die Empfindungen des Klienten können sehr bizarr sein und der Klient selber hat sonst Schwierigkeiten sie anzunehmen. Oft reagiert das Opfer intern auf sein Erleben damit, sich unfähig oder sich schuldig zu fühlen. Bestätigung des subj. Erlebens (nicht der Schuld) als natürliche und richtige Empfindung kann sehr erleichternd wirken: "Ja, das war schrecklich...", "Ja, du warst völlig überwältigt...".
Sanftes Entladen im Sinne einer Titration und Entkoppeln! Dazu verweilt der Klient auf einer Körperempfindung, wodurch der Organismus Zeit hat, physiologisch heilende Prozesse in Gang zu setzen und zu Ende zu bringen, die im traumatischen Geschehen und danach nicht stattgefunden haben konnten. Ein Bild, das dies veranschaulicht, ist eine Sektflasche (für den betroffenen Menschen), die beim Transport (auf dem Weg durchs Leben) oder nach dem Schütteln (Traumageschehen ) unter hohem Druck steht. Ein unsachgemäßes Öffnen wird zu einer Katharsis führen, die nicht nur andere Menschen gefährden kann, sondern auch den Inhalt mißbrauchen wird. Ein Könner jedoch wird den Korken sanft niedergedrückt halten, und den aufgebauten Druck sich langsam entladen lassen, bis der Inhalt ohne Gefahr genießbar wird.
Im Laufe eines Traumageschehens kommt es zu massiven Verzerrungen des subjektiven Raum-/ZeitKontinuums. Dies wird im Extremfall des Erstarrens ein totaler Stillstand der Zeit sein oder ein dichtes Zusammenpressen vieler Ereignisse in schnellster Abfolge oder im räumlichen Sinne z.B. der Tunnelblick. Hier hat eine Veränderung der Raum- und Zeitwahrnehmung einen heilenden Einfluß.
Von entscheidender Bedeutung dafür uns als komplettes ganzes heiles Wesen zu erleben, ist unser Zugang zu unseren Körperempfindungen. Im Laufe eines Traumas kommt es zu starken Veränderungen, wie wir unseren Körper wahrnehmen können. Ganze Körperbereiche werden ausgeblendet und nicht mehr spürbar - zu schmerzhaft und unangenehm sind die Empfindungen, zu hoch ist energetische Ladung. Oft bleibt nur noch die Flucht in die Gedanken und der Betroffene erlebt sich in seinem Wesen als leer und unausgefüllt. Oder die Empfindungen sind so überwältigend, daß sich kaum eine stabile Persönlichkeit aufrechterhalten läßt. Ziel ist das Wiederherstellen eines kontinuierlichen zusammenhängenden Körpergefühls.
Renegotiation - Neuverhandeln. Ähnlich dem Change History kommt es zu einer Neulösung im eigenen Erleben. Beim Change History wird die Lösung meist aus der Dissoziation heraus gefunden, während wir im S.E. überwiegend auf ein Hineinführen ins Körpererleben hinarbeiten und bei der Renegotiation, die dem Organismus innewohnenden Lösungsimpulse verwirklichen lassen (erst Impuls oder Wunsch, Bedürfnis zu laufen wahrnehmen, dann auf Mikro- Bewegungsebene ausführen, abschließend möglicherweise Fluchtimpuls zu einer geglückten Flucht als tatsächliches Laufen vollenden). Dazu bleiben wir so eng wie möglich in Kontakt mit diesen instinktiven Impulsen, die auch nach vielen Jahren noch im Klienten schlummerten. Ein wiederkehrender Aspekt ist, Funktionen des Körpers, der Physiologie, die nicht vollendet werden konnten, weiterzuführen, eine unterbrochene Hinwendung zu vollenden und verhinderte Aktionen zu beenden. Damit wird der Mensch wieder befähigt.
Die tiefen Heilungen geschehen bei dieser Methode auf der organismischen Ebene, in dem Funktionen des Reptilienhirns angesprochen werden.
Die Frage "Was möchtest du, was geschehen wäre?" oder "Was brauchst Du?" ist zwar möglich, aber verleitet womöglich zu sehr zu einer kognitiven Antwort und wird eher dann eingesetzt, wenn diese Gefahr nicht besteht. Eine Frage wie "Was möchte die Hand machen?" hält den Klienten in der Gegenwart, führt zu einer anderen Ebene und ist damit schon eher hilfreich.
Mit einem Trauma geht eine grundsätzliche Verletzlichkeit und ein tiefer Vertrauensverlust einher. Sicherheit und Vertrauen aufzubauen sind daher unbedingt wichtig und in sich heilend. Die Beziehungsebene zwischen Klient und Therapeut ist von grundlegender Wichtigkeit und gegen traumatische Übertragungsphänomene abzuklären.

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Mag. Christopher Veeck
Certified Advanced Rolfer, Rolfing Movement Integration Teacher
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